Mehr Hahn statt Flasche

Mehr und mehr Menschen in Deutschland trinken ihr Wasser direkt vom Wasserhahn. Das belegt die jüngste Befragung von Trinkwasserkunden durch das Marktforschungsinstitut prolytics im Auftrag des BDEW –  Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft.

Demnach konsumieren rund 60 Prozent aller Befragten regelmäßig und ca. 25 Prozent zumindest gelegentlich stilles oder aufgesprudeltes Leitungswasser. In der vorangegangenen Befragung, die alle zwei Jahre durchgeführt wird, waren es noch rund 50 Prozent (regelmäßig) bzw. 35 Prozent (gelegentlich).

Viele vertrauen also der hohen Trinkwasserqualität, die wir in Deutschland haben. Die strengen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung, die gerade erst wieder verschärft wurden, sind der Garant dafür.

Diese Zahlen können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Deutschen dennoch gleichzeitig Meister sind, wenn es um den Konsum von Flaschenwasser geht. Ebenso regelmäßig wie Leitungswasser trinken nämlich rund zwei Drittel aller Deutschen auch gekauftes Mineral-, Heil- oder Tafelwasser aus Flaschen. Übertroffen werden wir in Europa dabei nur noch von den Italienern.

Was sind die Gründe?

Wer sein Wasser regelmäßig aus dem Hahn zapft, nennt als Motivation dafür – neben dem Vertrauen in die hohe Qualität – vor allem die Faktoren Bequemlichkeit und Preis. Tatsächlich ist das Wasser aus der Leitung ungefähr einhundert Mal günstiger als das billigste Wasser aus dem Discounter. Es verursacht weniger Umweltkosten und erspart das Schleppen von Kisten und Flaschen.

Aber was motiviert zum Konsum von Flaschenwasser? Verschiedene Untersuchungen geben einen kleinen Einblick.

Geschmack und Gesundheit stehen als Argumente an erster Stelle, wenn man Menschen nach den Gründen ihrer Mineralwasserliebe fragt. Viele bevorzugen ein kohlesäurehaltiges Wasser und verbinden dies mit einem frischen Geschmack. Allein deshalb greifen viele zur Flasche. Noch. Denn in den letzten Jahren haben vermehrt Wassersprudler Einzug in die Haushalte der Deutschen gehalten. Schätzungsweise jeder Fünfte besitzt mittlerweile ein solches Gerät, so schätzt Dr. Sabine Rohlff, Leiterin Unternehmenskommunikation der Brita SE: „Besonders die junge Generation setzt auf Trinkwasser aus der Leitung, das auf Wunsch gefiltert und bei Bedarf mit Kohlensäure versetzt wird und so den individuellen Geschmack am besten trifft.“

Zweites Hauptargument – der Gesundheitsaspekt. Obwohl vielfach widerlegt, glauben etliche Konsumenten, Mineralwasser enthielte grundsätzlich mehr Mineralien als Leitungswasser und sei damit gesünder. Doch tatsächlich hat es den gleichen Ursprung  wie das Grundwasser, aus dem in Deutschland Trinkwasser gewonnen wird. Es ist Regenwasser, das auf dem Weg durch die Gesteinsschichten der Erde seine Mineralien aufgenommen hat und sich an einer wasserundurchlässigen Schicht sammelt. Je nachdem wie tief die Quelle liegt und wie spurenstoffhaltig das Gestein ist, durch dessen Poren und Klüfte das Wasser fließt, kann es sogar weniger Mineralien enthalten, als so manches regionale Trinkwasser aus der Leitung.

Gewohnheit ist starker Motivator

Ein weiterer Grund, zur Flasche zu greifen, ist das fehlende Vertrauen in die Hausinstallation. Viele Verbraucher befürchten Verschmutzungen aus dieser Quelle. Doch diese Sorge lässt sich schnell aus dem Weg schaffen, wenn man eine Probe des Wassers untersuchen lässt. Laut Trinkwasserverordnung muss die Qualität an der Zapfstelle, also am Wasserhahn garantiert sein.

Ein letzter, sehr wichtiger Grund, Mineralwasser zu bevorzugen, lässt sich dagegen nicht so leicht entkräften – die Macht der Gewohnheit. Befragungen zeigen, dass sich besonders diejenigen gern Wasser aus Flaschen ins Haus holen, die dies schon von ihren Eltern kennen und von diesem Verhalten geprägt wurden. In einigen Haushalten ist Mineralwasser deshalb auch ein Statussymbol. Man möchte nicht das „billige Wasser aus der Leitung“ trinken, sondern greift zu „hochwertigeren“ Alternativen.

Trotzdem immer mehr Menschen Wasser direkt aus dem Hahn genießen, ist also bei der Aufklärung über die extrem hohen Qualitätsstandards des Leitungswassers immer noch Luft nach oben. Denn mitnichten ist Mineralwasser ein besseres Wasser, wie Untersuchungen der Stiftung Warentest immer wieder zeigen.

Quellen

BDEW: Kundenbarometer 2023

UBA: Identifizierung soziologischer Bestimmungsfaktoren der Abfallvermeidung und Konzipierung einer zielgruppenspezifischen Kommunikation, 2021, www.umweltbundesamt.de

Klein, Schaub et al: “Tap or Bottle”, Universität Heidelberg, (Studie, in Vorbereitung)

Tosun et.al: Making Europe go from bottles to the tap: Political and societal attempts to induce behavioral change. WIREs Zunehmend aber werden die aber auch schon durch CO2 Kartuschen ersetzt, mit denen einfach das Wasser aus der Leitung aufgesprudelt wird. Mit der Einführung von Sirupen und Konzentraten vieler bekannter Süßgetränke nimmt dieser Trend zu. WIREs Water. 2020

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