PFAS im Trinkwasser – was bedeuted das?

Fragen an Dr. Anja Höhne,
Fachgebietsleiterin
Wasser und Abwasser,
BDEW Bundesverband
der Energie- und Wasserwirtschaft

Spätestens seit Inkrafttreten der aktualisierten Trinkwasserverordnung im vergangenen Jahr rückt das Thema PFAS vermehrt in den Focus der Öffentlichkeit. Ab 2026 gelten erstmals Grenzwerte für PFAS im Trinkwasser. Frau Dr. Höhne, was sind PFAS eigentlich und warum sind sie problematisch?

Der Begriff PFAS ist eine Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen und beschreibt eine Gruppe von bereits mehr als 10.000 menschengemachten Chemikalien, die sehr attraktive chemische Eigenschaften aufweisen. PFAS sind insbesondere stabil gegenüber extremen Temperaturen oder chemischen Bedingungen und zudem wasser-, fett und schmutzabweisend. Aufgrund dieser Eigenschaften sind PFAS in den verschiedensten Anwendungen zu finden – im Haushalt ebenso wie in der Industrie, z.B. in Beschichtungen.

Im Umkehrschluss sind PFAS aber auch so stabil, dass sie in der Umwelt unter natürlichen Bedingungen praktisch nicht abgebaut werden und sich letztendlich dort anreichern. Daher spricht man bei PFAS auch oft von Ewigkeitschemikalien.

Das heißt, PFAS sind weit verbreitet und überall anzutreffen?

Ja, überall: PFAS finden sich in der Luft, im Wasser, im Boden. Sie können sich entlang der Nahrungskette anreichern, beginnend bei den Pflanzen über die Tiere bis hin zum Menschen, in dessen Blut sie ebenfalls schon nachweisbar sind.

Menschen nehmen PFAS über die Nahrung, das Wasser und auch über die Luft auf, wobei Nahrung in der Regel den Hauptanteil bei der täglichen Gesamtaufnahme ausmacht.

Weil PFAS vor allem an Proteine binden, kann man grob sagen, dass tierische Lebensmittel in der Regel am stärksten mit PFAS belastet sind. Aber wie gesagt, PFAS finden sich auch in Obst, Gemüse, Ei und Milchprodukten.

Welche gesundheitlichen Auswirkungen sind damit verbunden?

Bislang sind nur eine Handvoll von Vertretern der gesamten Substanzklasse eingehend untersucht worden. Die wissenschaftlichen Studien zeigen dabei unterschiedliche gesundheitsschädliche Wirkungen an Organen, wie z. B. der Leber und der Nieren und auch dem Immunsystem. Studien mit Kindern zeigten beispielsweise statistische Zusammenhänge zwischen PFAS-Gehalten im Blut und einer verminderten Antikörperbildung nach Impfungen.

Wie gelangen PFAS in den Wasserkreislauf?

In den Wasserkreislauf gelangen die Chemikalien bspw. durch Industrieabwässer, durch Rückstände im gereinigten Abwasser von Kläranlagen, durch Auswaschungen aus Böden und Luft aber auch durch Unfälle.

Ob das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung verunreinigt ist, hängt wesentlich davon ab, ob es Schadensfälle in der Industrie gab oder ob beispielsweise Feuerlöschschäume in großem Maßstab in die direkten Einzugsgebiete gelangen konnten, beispielsweise an Flughäfen. Das ist in Deutschland bisher nur auf wenige Fälle beschränkt. Hier wurde die Trinkwasseraufbereitung umgehend angepasst, so dass stets alle gesundheitlichen bzw. gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.

Trinkwasser ist also PFAS frei?

Nein, das lässt sich daraus nicht schlussfolgern. Es gibt selbst nach der Aufbereitung des Rohwassers keine einhundertprozentige Reinheit im Sinne von Schadstofffreiheit. Es verbleiben grundsätzlich immer einzelne Spuren von Schadstoffen im Wasser zurück, auch PFAS.

Deshalb gibt es gesundheitswissenschaftliche Trinkwassergrenzwerte, die so definiert sind, dass bei deren Einhaltung keine Besorgnis für die Gesundheit besteht.

In Deutschland werden die umfangreichen gesetzlichen Vorgaben für die Sicherstellung einer sehr hohen Trinkwasserqualität stets eingehalten. Das heißt, wer in Deutschland lebenslang seinen gesamten Trinkwasserbedarf mit Leitungswasser deckt, hat für seine Gesundheit nichts zu befürchten. Das Trinkwasser in Deutschland ist streng kontrolliert und sicher.

Der Grenzwert für PFAS gilt aber erst ab 2026. Muss ich mich als Verbraucher also gedulden, bis mein Trinkwasser auf PFAS untersucht wird?

Nein. PFAS ist kein neues Thema. Bereits seit 2006 gibt es gesundheitliche Orientierungswerte für bestimmte PFAS, welche seither nicht nur verschärft, sondern auch für weitere PFAS eingeführt wurden. Vor diesem Hintergrund haben Versorger die PFAS-Belastung ihrer Wässer längst geprüft und reagieren, wo notwendig.

Wo liegt dann das konkrete Problem für die Wasserwirtschaft, warum fordern die Wasserversorger eine Exit-Strategie?

Da PFAS in der Umwelt kaum abgebaut werden, reichern sie sich weiterhin an. Schon heute sehen wir wie die Rohwasserressourcen für die Trinkwassergewinnung zunehmend mit Schadstoffen belastet werden. Das heißt, mittel- bis langfristig werden Wasserversorger auch von der PFAS-Belastung betroffen sein.

Dazu kommt, dass die Entfernung von PFAS aus Wasser nicht nur schwierig und komplex, sondern auch sehr kosten- und ressourcenintensiv ist. Das wird zu signifikant steigenden Aufbereitungskosten und letztlich auch zu deutlich höheren Trinkwasserkosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen. Und das ist ganz offensichtlich keine nachhaltige und wünschenswerte Lösung.

Deshalb fordern die Wasserversorger eine EXIT Strategie: Eine wirksame Strategie, wie weitere Einträge von PFAS in die Umwelt direkt an der Quelle vermieden werden können. Denn bislang können Hersteller bzw Produzenten von PFAS diese ohne Konsequenzen in die Umwelt eintragen. Sie haben de facto eine Lizenz zur Verschmutzung unserer Gewässer und unserer Umwelt. So etwas darf es nicht mehr geben.

Was heißt Exit Strategie ganz konkret?

Deutschland hat 2023 zusammen mit den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden einen Beschränkungsvorschlag für die gesamte PFAS-Stoffgruppe bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA eingereicht. Ziel ist es, PFAS in ganz Europa nach festen Übergangsfristen, je nach Anwendung, zu beschränken. Die Übergangsfristen richten sich danach, ob bereits gleichwertige PFAS-freie Alternativen für entsprechende Anwendungen verfügbar sind oder nicht. Mit einer Entscheidung in diesem Verfahren ist aktuell jeodch nicht vor 2025 zu rechnen.

Der diskutierte Beschränkungsvorschlag für PFAS ist grundsätzlich die richtige Strategie. Allerdings trifft das PFAS-Verbot auch viele Schlüsseltechnologien der Energiewende. Deshalb hat der BDEW als Vertreter der Energie- als auch der Wasserbranche pragmatische Lösungen erarbeitet, die mit dem Schutz der Bestandsanlagen, Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen sowie Best-Practice-Beispielen sowohl die technischen Anforderungen der Energiewirtschaft, als auch die Schutzwürdigkeit unserer Trinkwasserressourcen widerspiegeln.

Doch selbst ein möglichst umfangreiches Verbot – so wichtig und nötig es ist – löst die PFAS-Problematik nicht vollständig. Zusätzlich brauchen wir auch eine Strategie, um mit der bestehenden Umweltverschmutzung und den Kosten für die Aufbereitung umzugehen.

Der BDEW setzt sich hierbei für eine verursachergerechte Finanzierung der Aufbereitungskosten im Sinne einer Herstellerverantwortung ein. Hersteller und Importeure PFAS-haltiger Stoffe sollen sich an den PFAS-bedingten gesamtgesellschaftlichen Kosten beteiligen, beispielsweise über einen Fonds, aus dem die Sanierung betroffener Flächen, die Aufbereitung des Grundwassers oder die Neuerschließung von Brunnen bezahlt wird. Nur so wird aus unserer Sicht ein nachhaltiger und wirksamer Anreiz geschaffen, dass die Hersteller den Eintrag von PFAS in die Umwelt auch vermeiden wollen.

Als Verbraucher fühle ich mich jetzt ziemlich machtlos. Was kann ich tun?

Allein aufgrund der fehlenden Kennzeichnungspflicht und unendlichen Anwendungsbreite ist es für Verbraucher schwer und praktisch unmöglich, PFAS aus dem Weg zu gehen. Dennoch gibt es einige Dinge, die helfen:

Klar sollte sein: Wasser aus dem Hahn kann bedenkenlos getrunken werden, denn es gibt seit Jahren gesundheitliche Leitwerte und bald auch weitere, schärfere Grenzwerte, die für Unbedenklichkeit sorgen.

Bei Konsumentscheidungen sollten Verbraucherinnen und Verbraucher auf Nachhaltigkeit und natürliche Inhaltsstoffe bzw. biologisch abbaubare Inhaltsstoffe achten. Für Kosmetika gibt es beispielsweise die App TOXFOX des BUND, mit der man den Strichcode auf der Verpackung scannen kann und Angaben zu den Inhaltsstoffen erhält.

Engagieren Sie sich außerdem für den Schutz unserer Wasserressourcen und unterstützen Sie beispielsweise die Forderung der Wasserversorger nach einer Exit-Strategie für PFAS und besonders auch die Forderung nach einer umfänglichen Herstellerverantwortung.

Titel: Guntar Feldmann – stock.adobe.com; Porträt: BDEW

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